16-Jährige Gemeinde-, Ortschafts- und Kreisräte – Warum steht der Freie Wähler Landesverband der Gesetzesänderung kritisch gegenüber?
Wunschdenken der Landesregierung versus Alltag in den kommunalen Gremien
Der Landtag von Baden-Württemberg hat ein neues Kommunalwahlrecht beschlossen. So können zukünftig bereits 16-Jährige als Gemeinde-, Ortschaft- und Kreisräte kandidieren und Mandatsträger werden. Das passive Wahlrecht wird damit von 18 auf 16 Jahren abgesenkt.
Der Freie Wähler Landesverband Baden-Württemberg e.V. steht dieser Änderung kritisch gegenüber.
Auf dem Papier erscheint die Absenkung einen starken Impuls geben zu können, jüngere Menschen an die Kommunalpolitik heranzuführen, einzubinden und vor allem den Altersdurchschnitt in den Räten zu senken.
Wenn die Absenkung des passiven Wahlalters von 18 auf 16 Jahre die Stellschraube für einen sinkenden Altersdurchschnitt in den Räten sein soll, so fragt man sich verwundert, wie dieser geringe Unterschied von 2 Jahre zukünftig solch eine Veränderung herbeiführen kann.
Die Ausübung des freien Mandats wird für unter 18-Jährige nur eingeschränkt möglich sein. Erst ab 18 Jahren ist man volljährig. Davor minderjährig und „beschränkt geschäftsfähig“. So müssen beim Abschluss eines Vertrages für eine Ausbildungsstelle neben den Minderjährigen noch die Erziehungsberechtigten einverstanden sein und unterschreiben.
Den minderjährigen Mandatsträgern bleiben aufgrund ihres Alters bestimmte Positionen im Gemeinderat und Kreistag verwehrt: z.B. die Tätigkeit als Aufsichtsrat in kommunalen Betrieben wie Stadtwerke und Wohnbaugesellschaften. Auch die Position eines stellvertretenden Bürgermeisters bleibt ihnen verwehrt. Das mag man als Spitzfindigkeit abtun. Zukünftig wird es jedoch zwei Klassen von Mandatsträgern geben. Den einen stehen alle Positionen offen, den anderen nicht. Diese Einschränkung ist nicht selbstgewählt, wie z.B. zu wenig Zeit. Die Einschränkung ist an das Alter gekoppelt und rechtlich auferlegt.
Gemeinderatssitzungen finden in Baden-Württemberg zu sehr unterschiedlichen Zeiten statt. So tagt der Gemeinderat in Stuttgart vormittags und gleicht einem Halbtagsjob. In anderen größeren Städten starten die Sitzungen oftmals bereits um 16 Uhr. In kleinen Kommunen ist Sitzungsbeginn abends um 19 Uhr mit offenem Ende weit nach 22 Uhr. Für Schüler und Auszubildende insgesamt keine Zeiten, in denen man ohne Weiteres einem solch zeitintensiven Ehrenamt nachgehen kann. Die Frage nach einer Befreiung vom Unterricht und von der Ausbildung wird sich stellen.
Scheidet ein Mandatsträger aus dem Rat innerhalb einer Wahlperiode aus, so rückt der erste Nachfolger der Liste nach. Dies unabhängig von Geschlecht und Alter, sortiert nur nach dem Wahlergebnis. Das Ziel, die Altersstruktur in den Räten zu verändern, kommt in diesem Fall an die Grenzen der eigenen Nachhaltigkeit.
Die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an der Kommunalpolitik ist dem Freie Wähler Landesverband ein wichtiges Anliegen. Die Gemeindeordnung für Baden-Württemberg formuliert in § 41a diese Wichtigkeit. Kinder und Jugendliche sind bei Planungen und Vorhaben zu beteiligen. Zudem sollen Jugendvertretungen – Jugendgemeinderäte – vor Ort eingerichtet werden. Diese sollen gegenüber dem Gemeinderat ein Rede-, Anhörungs- und Antragsrecht erhalten. Hier müssen wir vor Ort ansetzen, wenn wir Kinder und Jugendliche, aber auch weite Teile der Bevölkerung für die Kommunalpolitik neu ansprechen und dafür begeistern wollen.